Aufwärmprogramm: Schnurrbartkitzeln
Das, was Kunibert Eder hatte, war ein dunkelbrauner Schnurrbart. Empfindsam wie die Tasthaare einer Katze und ständig in Alarmbereitschaft wie ein Feuermelder. Allein zu diesem Zweck war sein Borstenkamm mittig über der Oberlippe mit besonders sensiblen Sensorhärchen ausgestattet und mit jenen dünnen verdrahtet, die sich bis tief in seine Nase hinein wanden. In Momenten ungewöhnlicher Vorkommnisse verlangten ihm diese unscheinbarsten seiner Härchen ein solch gewaltiges Niesen ab, dass das Echo erst dann verhallt war, wenn Kunibert Eder alle offenen Fragen geklärt hatte und der Gerechtigkeit genüge getan war. „Kuno“, dachte er sich stets in einem solchen Moment. „Kuno, hier stimmt was nicht. Das ist dein Fall und den wirst du lösen.“
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Dabei hatte Kunibert Eder keinen Chef, der ihm sagte: „Kuno, es gibt da eine Leiche. Das ist dein Fall. Finde den Täter.“ Und es war auch nicht so, dass eine blonde Frau in Schwarz-Weiß zu ihm in ein verrauchtes Büro hereinkam, ihre von einem Minirock spärlich umschmeichelten Beine übereinanderschlug und mit einer Zigarette zwischen den Lippen säuselte: „Herr Eder, ich habe viel von Ihnen gehört. Ich glaube, mein Mann betrügt mich. Finden Sie es heraus.“
Kunibert Eder hatte nicht einmal ein Büro. Und wenn er eines gehabt hätte, er hätte in einem solchen Moment das Fenster geöffnet und mit entschuldigenden Worten auf das Rauchverbot hingewiesen. Denn überhaupt war Kunibert Eder ein ganz normaler, rechtschaffener Bürger, der seinem Job im örtlichen Supermarkt nachging und am liebsten in Ruhe gelassen werden wollte. Doch dazu kam er nicht. Das Leben hatte ständig andere Pläne mit ihm.
So sollte auch dieser Fall vollkommen unerwartet beginnen – mit der unverhofften Begegnung zweier auf den ersten Blick völlig harmloser Menschen auf einem dörflichen Fußballplatz. Und streng genommen sollte es diesen Fall überhaupt nur geben, weil sich die Dinge genauso entwickelt hatten, wie sie sich entwickelt hatten und das setzte die Geburt von einem Dutzend anderer Menschen, die Gründung mehrerer Fußballvereine und die Dramatik ihrer aufeinanderprallenden Wünsche und Absichten voraus. Und diese Umstände, um es schlussendlich auf den Punkt zu bringen, hatten dafür gesorgt, dass Kunibert Eder auf dem Trainingsgelände des Männerturnvereins, kurz MTV, von Hennigsen stand, und einer Horde kleiner Jungs dabei zusah, wie sie mit versuchter enger Ballführung um einige Slalomstangen herumstolperten.
Das müsste viel schneller gehen, dachte Kunibert in diesem Augenblick, sagte aber nichts, denn hier beim MTV durfte man Kind sein und sich austoben, was im Mindesten auch für die Erwachsenen galt, fuhr er in Gedanken fort und strich sich die Spitzen seines Schnurrbarts zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand zusammen. KTV, überlegte er weiter, als Abkürzung für Kinderturnverein wäre wohl die bessere Vereinsbezeichnung gewesen.
Hier hatte man seine Ruhe. Nur in der Ferne – wenn man ganz genau lauschte – konnte man den Alltag mit seinen vorwärtstreibenden Motoren von der Bundesstraße hören, wie ein Motorrad durchs Dorf knallte oder sich ein Wagen auf der holprigen Feldstraße verlor und dem Fußballplatz näherte. Hier im Hennigser Herzen, wo die Blätter im Winde rauschten, die Vögel trillerten und die Kinder spielten, waren sich seine Eltern auf einem Dorffest zum ersten Mal in die Arme gefallen.
Warum ihm das gerade jetzt in den Sinn kam, fragte sich Kunibert, während Autoreifen Schottersteine auf dem Vorplatz verdrängten und zwei Türen zuknallten. Kunibert drehte sich zur Seitenlinie um. Dort war eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand aufgetaucht. Das war ja allerhand, dachte Kunibert schon in diesem Moment und setzte sich in seinem gemütlichen Schaukelgang, bei dem sich abwechselnd seine linke und rechte Schulter dem Rasen näherte, in Bewegung. Das war ja allerhand, dachte er noch einmal. Allerhand war das.
„Kunibert“, sagte er leicht außer Atem, als sich ihre Hand für einen Moment in die seine legte, und er sie schüttelte. „Kunibert Eder.“ Das hatte nun sehr förmlich geklungen, dachte er. „Kuno!“, schob er schnell nach. „Meine Freunde nennen mich Kuno.“
Sehr erfreut, strahlten ihre dunklen Augen, und da hatte er sich auch schon verliebt.
Hier, an diesem für den Fortlauf der Geschichte nicht unspannenden Punkt, endet die Leseprobe. Um von der Roman-Veröffentlichung im Herbst 2019 oder von weiteren Neuigkeiten rund um Kunibert Eder zu erfahren, wurde glücklicherweise dieser unwahrscheinlich gute Newsletter etabliert, für den es sich einzutragen unter Umständen lohnen wird.
P.S.
Als auserkorenes Schmankerl gibt es auf der Anmeldeseite den ersten der beiden nicht gänzlich zu verachtenden Teaser-in-Anführungszeichen.
ORTLIEB, Gudrun meint
Halli Hallo Kunibert und Co.
So kurzweilige Zeilen, ich brauchte mich nicht beeilen, mein leseherz war angesprungen…und hat, Klappe. Knall, die 1. gesungen!
Ich werde es nicht bereuen, meine AntwortEmail… wirst Du nicht, zusammenknäul’n.
Auf bald Kuno… in meinen Kino!
Herzlieb Gudrun.Ortlieb
janmikael meint
Danke für die Worte und das Verweilen,
es werden folgen bald neue Zeilen,
die ich schon schrieb,
aber zu Veröffentlichen noch mied.
Grüße an Dich Gudrun.Ortlieb.
Friedel meint
Super Einstieg – das hört sich gut an und der Humor bekommt bestimmt nicht zu kurz. Warte schon ungeduldig auf das Buch.
janmikael meint
Danke, und es tut sich was. Nur noch ein wenig Geduld 🙂
Nicole Aretz meint
Ich mag ihn, den Kuno!
Schöner Einstieg, ein bisschen heile Welt, aber das wird sich sicher bald ändern…
Auch die Liebesgeschichte gefällt mir schon auf den ersten Satz.
Liebe Grüße, Nicole
janmikael meint
Sehr schön. Danke Nicole – und Du ahnst bereits richtig voraus, dass die heile Welt ins Wanken gerät =) lieben Gruß, Jan