Liebe Sabine,
es ist mein Fehler gewesen. In guten wie in schlechten Zeiten haben wir gesagt. Leider habe ich uns viel zu viele von den Schlechten eingebrockt. Du hast zu mir gehalten, bist mit mir durch all die Schlaglöcher gefahren, die ich verursacht habe. Ich will es nicht beschönigen, ich bin genauso verantwortlich wie sie es sind für den Betrug. Manchmal wünschen wir uns etwas so sehr, dass wir uns wundern, wenn es tatsächlich in Erfüllung geht. Und wenn ich zurückschaue, bin ich erschrocken über die Mittel, die ich eingesetzt habe. Du hast zu mir gehalten, in all den Zeiten des Selbstbetrugs, hast mir Vertrauen geschenkt, nichts dafür verlangt und ich habe Dir nichts gegeben, Dich nicht halten können, als Du gegangen bist. Denn das Schlimme ist, dass ich mir schon selbst nicht mehr vertraut habe. Das Mistrauen war in mir, genau wie die Schuld, auch wenn ich sie öffentlich immer abzustreiten versuchte.
Wenn ich diese Zeilen schreibe, wenn Du sie liest, haben wir uns lange nicht mehr gesehen, doch in Gedanken bist Du ständig bei mir – bei mir wie diese Worte. Das ist das Dumme an der Hoffnung. Sie treibt uns immer weiter und denkt sich immer neue Scherze aus, um an etwas zu glauben. Ich glaube an Dich, an uns, an gute wie schlechten Zeiten, daran dass wir diesen Krater hinter uns lassen können wie auch die Schlaglöcher inzwischen glattgeteerte Straßen der Vergangenheit sind.
Ich habe viel an mir gearbeitet, und damit meine ich nicht die fünf, sechs Kilo, die ich immer zu viel auf den Rippen habe. Alle Welt ist eitel, sagte mir jemand, und auch das habe ich gelernt. Ich habe den ständigen Zuspruch gebraucht, von meinem Vater, meinem Trainer, dem Team, der Öffentlichkeit, von Dir. Nun ist er nicht mehr da und mir wird klar, wie wenig ich von dem getan habe, was ich für alle hätte tun können und übersehen habe in meinem bedinungslosen Kampf, erfolgreich sein zu müssen.
Inzwischen bin ich froh, dass es jeder weiß. Ich muss nicht mehr jedes Wort kontrollieren, was ich sage, was andere sagen oder über mich denken könnten. Es spielt keine Rolle mehr. Nur entband es mich natürlich nicht von meiner Schuld, die ich ständig spürte, schon dann, wenn mir jemand einen Gefallen tat und ich der Meinung war, dass ich diese Gefälligkeit nicht verdiene. Es ist jetzt besser, denn ich weiß, dass ich irgendwann auch etwas für diese Menschen getan habe oder ansonsten eines Tage die Gelegenheit dazu erhalten werde.
Warum ich Dir das alles schreibe? Wahrscheinlich, weil Du der für mich größte Mensch bist. Und wenn ich Dir offenbare, was Du schon lange wissen wirst, verliert es etwas von seiner Magie. Das ist meine Befürchtung. So wie man jemandem zusieht, der unbekümmert spielt, seine Dinge tut, und sich nur solange selbst vergisst, bis er den Beobachter entdeckt. Dann ist es anders und ich hoffe, dass das nicht bei uns so ist, nur weil ich Dir diese Worte schicke.
Der Vergleich hinkt natürlich, denn bei uns ist es anders – nicht mehr so, wie es einmal gewesen ist. Und ich kann verstehen, dass Du gegangen bist, und wohl genau das ist der Grund, warum ich Dich niemals daran hätte hindern können. Ich fürchte sogar, dass du mich hasst und bin mir sogar sicher es zu wissen, und hoffe doch nur die Projektionsfläche zu sein für etwas, dass Du so sehr verabscheust. Das ist der Betrug, den ich meine, nicht die Hoffnung, von der ich schreibe und schon gar nicht der Zauber, der mich fasziniert seit dem Tag, an dem wir uns begegnet sind. Seitdem liebe ich Dich, seitdem ich in Deinem Geschäft aufgekreuzt bin, seit dem Abend, an dem ich an der Haltestelle nach Feierabend auf Dich gewartet habe, wir bei Hugo das Schlechteste Sushi unseres Lebens gegessen haben, Du trotzdem Ja zur mir gesagt hast, obwohl die bestellte, rumänische Band, viel zu spät kam und keine Note getroffen hat, Du schon damals von meinen Fehlern wusstest, mir mein Ungeschick, den Betrug verziehen und mich auf meinem Weg begleitet hast, der so unabänderlich gewesen ist, seit ich vor den Augen meines Vaters das erste Mal im Sattel gesessen habe.
Wenn Du das hier liest, habe ich mich wieder all dieser Einzelheiten erinnert, allen guten wie schlechten Zeiten, und ich kann wieder bis zum Anfang schauen, bis zu dem Tag, als Du vor Deinem Geschäft die Werbetafel aufgestellt hast, sie umgefallen ist und ich Dich zum ersten Mal bemerkt habe. Da war der Zauber, von dem ich Dir schreibe und der nichts von seiner Magie verloren hat und verliert, in dem Moment, in dem Dir schreibe, was ich Dir schreibe, sondern wieder und wieder von vorn beginnt und mich bis zum Anfang schauen lässt.
Ich liebe Dich und wünsche mir, dass Du es bist, die ich begleite, wie Du mich begleitest und wir einen Weg wählen, der nicht so notdürftig gepflastert ist wie es ein Teil des vorherigen war. In guten wie in schlechten Zeiten und in Liebe
Dein Jan
Peter Setinz meint
Behutsam gewählte Worte, in gefühlvolle, ansprechende Sätze verpackt und daraus einen sehr berührenden Brief erschaffen.
Der geneigte Leser fragt sich interessiert: Realität oder Fiktion?!
Sollte es die Realität sein, wünsche ich in der Angelegenheit das Beste, der Erfolg scheint gewiss; sei es die Fiktion, so erlaube ich mir im Bedarfsfall zukünftig auf Ihre Dienste zurück zu kommen 😉
janmikael meint
nah dran, und doch so weit entfernt…. danke für die Blumen.
behilflich bin ich bei Gelegenheit natürlich gerne 🙂