Früher hatte man ihn manchmal für Volker Pispers gehalten, den Kabarettisten. In einem anderen Leben hätte er um eine Nische mit Kurt Beck konkurrieren können. So nah Gunnar die optischen Vergleiche waren, so fremd waren ihm aber die Bühne und jeder Art von Auftritt. Das hatte sich des Tages geändert, als er mal wieder durch die Straßen gezogen war und mit seinem Wagen nach Schätzen gesucht hatte. Direkt an der Ecke zur Supermarkteinfahrt hatten sie gelegen. Schrankteile, ein Schreibstuhl, Bücher und ein zusammengerollter Teppich. Gunnar war sofort losgestürmt, hatte dabei seinen Wagen vor sich hergeschubst und sich bereits ausgemalt, wofür er das alles verwenden könnte. Ein Teppich machte es wohnlich, und da würde er sich gemütlich in den Schreibstuhl setzen. Und Bücher zum Lesen natürlich, als im gleichen Moment diese gierig schluckenden Monstermaschinen aufgetaucht waren und Gunnar zum Eingreifen gezwungen hatten.
Alles fraßen sie auf, dachte er und postierte sich vor dem Schatzhaufen. Im Herzen war er Jäger und Sammler geblieben, warum andere das nur wegwarfen? Mit ruhiger Hand dirigierte er die beiden Ungetüme näher zu kommen. Hier musste ein Mann von Fach ran, ohne ihn waren die Fahrzeuge verloren und würden am Ende noch zu weit zurücksetzen und gegen die Hauswand prallen. Mit kreisender Handbewegung bedeutete er dem hinteren der beiden Gefährte stärker einzuschlagen, während dieses piepend auf ihn zusteuerte. Langsam! Langsam!, zeigte Gunnar. Gut, dass er heute seinen ballonseidenen Jogginganzug anhatte. In dem konnte er sich frei bewegen. Stop! Stop!, hob er nun die Hand. Zwei Männer mit oranger Weste sprangen aus dem Fahrzeug und griffen nach den Schrankteilen. Im Vorbeigehen lächelten sie Gunnar zu. Ja, sie mochten durchaus Respekt vor seinen Einweisungskünsten haben, wie er hier im Kleinen den Verkehr regelte und ihm dabei sein Schlüsselbund um den Hals baumelte.
Gunnar zeigte auf den Teppich und den Schreibstuhl und bedeutete mit seiner flachen Hand, dass dies hier zu verbleiben hatte. Und die Bücher natürlich. Er würde sich darum kümmern. Die beiden Männer nickten vergnügt. War das lustig? Das war durchaus eine ernste Sache wie das Hab und Gut hier beschützt werden musste. Und der Schreibtisch und der Teppich waren jetzt seins. Und die Bücher natürlich. Die beiden Männer liefen weiter mit den Schrankteilen zwischen Gehweg und Müllwagen hin und her. Ja, mit diesen Schrankteilen war tatsächlich nur noch wenig anzufangen. Das war Müll, das musste auch Gunnar einsehen. Im Gegensatz zum Teppich und dem Schreibstuhl. Und den Bücher natürlich. Er würde eine Kerze anzünden, dachte er. Nein, er driftete schon in Träumereien ab. Beinahe. Denn Stop! Stop! Eine Radfahrerin kam über den Gehweg. Stop! Stop! Eine attraktive Radfahrerin. Sie mochte in seinem Alter sein. Stop!, zeigte Gunnar mit erhobener Hand. Stop! Für einen Moment verharrte sie, dann wollte sie sich mit ihrem Fahrrad zwischen den Männern vorbeischieben. Stop! Gunnar hob wieder die Hand. Sie schaute skeptisch. Hier wurde gearbeitet, und da war Autorität gefragt, meinte er gerade noch zu wissen, als sein Auftritt bereits ein Ende fand. Die Männer setzten grüßend auf das Gefährt auf, Gunnar winkte die Frau vorbei. Gerne hätte er sie auf einen Café eingeladen, aber er war zu beschäftigt.
Der Teppich, der Schreibstuhl und die Bücher natürlich. Wohin damit? Denn alles was Gunnar hatte, war ein alter Einkaufswagen.
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